Kirche und Staat
Richard Reisinger
Landrat, Landkreis Amberg-Sulzbach
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"Bildungs- und Betreuungseinrichtungen in kirchlicher Trägerschaft bürgen traditionell für ein hohes Maß an Qualität. Daher sind Kinder, Eltern, Bewohner und Patienten, aber auch Menschen, die für diese Einrichtungen arbeiten, mehrheitlich dankbar, dass sie in der Kirche einen loyalen Träger haben, dem es schon von seinem christlichen Auftrag her ein Grundbedürfnis ist, den Menschen Halt, Stütze und Werteorientierung angedeihen zu lassen.
Auch für Vertreter von kommunalen Gebietskörperschaften ist die Verantwortung von Kirchen für vielerlei Einrichtungen ein echter Gewinn. Dabei möge Gewinn nicht ausschließlich in finanzieller Sicht interpretiert werden, sondern vielmehr in der Zuverlässigkeit, mit der gesetzliche Vorgaben, sei es im pädagogischen als auch im sozialgesetzlichen und medizinischen Bereich, uneingeschränkt Beachtung finden, als auch in der angebotenen und bereits erwähnten Qualität. Dies rührt mit Sicherheit auch daher, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Kirche einen fairen und tariftreuen Arbeitgeber haben, von dessen hohen Ansprüchen sie wissen.
Persönlich erlebe ich in kirchlichen Altenheimen als auch Kindergärten und Schulen die große Motivation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zur menschlichen Zuwendung, ohne dass ich dies natürlich anderen Institutionen absprechen möchte.
Meine Wertschätzung beruht mit Sicherheit auch darauf, dass ich selber in einem kirchlichen Kindergarten "sozialisiert" wurde, dass ich mich schon seit 30 Jahren mit dem Caritas-Altenheim meiner Heimatpfarrei als dessen Nikolaus verbunden weiß, aber auch daher, dass ich als Landrat in sozialen Bereichen den kirchlichen Träger an meiner Seite zu schätzen weiß und nicht zuletzt selber in einem staatlich-kirchlichen Zweckverband eine Realschule betreiben darf.
Ich hoffe und ich bin davon felsenfest überzeugt, dass die kirchliche Trägerschaft auch in Zukunft für die Gesellschaft ein unschätzbarer Gewinn sein wird und sage der Kirche auch insoweit Vergelt’s Gott für all ihr bisheriges und künftiges Engagement."
Richard Reisinger
Landrat des Landkreises Amberg-Sulzbach
Tanja Schweiger
Landrätin, Landkreis Regensburg
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"Wir können uns glücklich schätzen, in einer Gesellschaft zu leben, in der es selbstverständlich ist, oftmals die Wahl zu haben, in welcher Form wir staatliche Leistungen in Anspruch nehmen wollen. So können wir frei entscheiden, ob unsere Kinder in Krankenhäusern staatlicher, privater oder kirchlicher Trägerschaft zu Welt kommen sollen und welchem Träger wir sie in Krippe oder Kindergarten anvertrauen. Im Alter besteht ebenfalls die Möglichkeit, zwischen verschiedenen Trägern von Pflegeeinrichtungen zu wählen.
Es ist daher konsequent, Eltern und deren Kindern auch bei der Schulausbildung zu ermöglichen, sich für eine Schule in kirchlicher Trägerschaft zu entscheiden. Die Existenz von Schulen in kirchlicher Trägerschaft ist nicht nur seit Jahrhunderten gelebte abendländische Tradition, sie ist durch Art. 7 Abs. 4 des Grundgesetzes sogar verfassungsrechtlich abgesichert. Die Gewährleistung der Wahlfreiheit von Eltern und Kindern rechtfertigt, ja erfordert es dabei sogar, dass der Staat die kirchlich getragenen Schulen für deren Erbringung der an sich staatlichen Leistung "Bildung" angemessen finanziell unterstützt. Zöge sich der Staat hier zurück, müssten die Kirchen die Eltern mit einem hohen Schulgeld belasten. Die finanzielle Diskriminierung von Eltern und Kindern sowie der Verlust echter Wahlfreiheit wären die Folge. Der Geldbeutel darf eben nicht darüber entscheiden, welchen Bildungsweg ein Kind beschreiten kann. Die kirchlich getragenen Schulen im Bistum Regensburg bestätigen das Erfolgsmodell, in dem der Staat einen inhaltlichen und finanziellen Rahmen bereitstellt, der von der Kirche eigenverantwortlich ausgefüllt wird.
Als ehemalige Schülerin des St. Mariengymnasiums in Regensburg kann ich das auch aus eigener Erfahrung bestätigen.
Vergelt's Gott für das Engagement für unsere Schülerinnen und Schüler. Ich wünsche dem Bistum Regensburg weiterhin gutes Gelingen!"
Tanja Schweiger
Landrätin, Landkreis Regensburg
Markus Pannermayr
Oberbürgermeister, Stadt Straubing
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Meine sehr geehrten Damen und Herren,
liebe Besucher dieser Webseite,
ich darf mich Ihnen kurz vorstellen: Mein Name ist Markus Pannermayr. Seit mittlerweile zehn Jahren bin ich Oberbürgermeister der niederbayerischen Stadt Straubing und freue mich, in dieser Funktion Verantwortung übernehmen zu dürfen.
Eine meiner vorrangigen Interessen als Kommunalpolitiker ist der Zusammenhalt der Gesellschaft. Es ist unsere gemeinsame Aufgabe, Integration und Teilhabe zu ermöglichen, sowie Chancenausgleich zu gewähren. Darüber kann man politisch sehr viel diskutieren. Viel wichtiger sind jedoch die Kräfte, die in der Lage sind, ganz konkret in der Gesellschaft daran zu arbeiten.
Ich empfinde unseren Caritasverband als eine sehr starke Kraft, die wertegebunden und qualitätsgebunden ganz konkret positiv in unserer Gesellschaft wirkt. Mit meinem Engagement als Vorsitzender des Kreisverbands versuche ich, dieses Wirken nach besten Kräften zu unterstützen.
In der Stadt Straubing ist die Caritas sehr stark im Bereich Kinderbetreuung engagiert. Doch eigentlich begleitet die Caritas alle Generationen: Von der Nachmittagsbetreuung bis hin zur Arbeit mit Senioren in der stationären Altenhilfe und in den ambulanten Einrichtungen. Überall dort arbeitet die Caritas meines Erachtens in einem sehr fordernden Umfeld. Fordernd für Träger und Mitarbeiter in gleicher Weise, aber vor allem wertschätzend und hilfreich.
Ohne die Caritas und die anderen kirchlichen Träger könnte ich mir Straubing gar nicht vorstellen. Es würde das Gesicht dieser Stadt und das Zusammenleben entscheidend verändern. Wir stünden vor einer riesigen Herausforderung, diese Angebote vorhalten zu können – sowohl quantitativ wie qualitativ. Ich bin großer Anhänger des Subsidiaritätsprinzips und sehr froh, dass es Träger in unserer Stadt gibt, die uns bei unseren sozialen Aufgaben ganz wesentlich unterstützen. Das erweitert unsere Möglichkeiten und unser Spektrum.
Wenn mich jemand nach dem Sinn der Kirchensteuer fragt, dann ist meine Antwort: „Schau, was mit diesem Geld in unserer Gesellschaft an Gutem geleistet wird, was umgesetzt wird.“ Ich bin überzeugt, dass mit diesen Mitteln sehr viel Zusammenhalt, Chancenausgleich und Perspektiven in unserer Gesellschaft entstehen.
Leider gibt es aktuell Tendenzen, die zu einem Bruch unserer Gesellschaft führen könnten. Das ist etwas, was uns allen letztendlich nicht guttut. Daher sind wir alle gefordert, uns weiterhin mit aller Kraft für den Zusammenhalt der Gesellschaft einzusetzen. Unsere Kirche in all ihren Erscheinungsformen leistet zu dieser Aufgabe einen wesentlichen Beitrag.
Herzliche Grüße
Ihr
Markus Pannermayr
Peter Dreier
Landrat, Landkreis Landshut
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"Neben den vielen Kindertageseinrichtungen in kirchlicher Trägerschaft und dem Betreuungs- und Beratungsangebot für hilfesuchende und bedürftige Menschen, welches beispielsweise von der Caritas getragen wird, gibt es bei uns im Landkreis Landshut mit dem Maristen-Gymnasium in Furth ein leuchtendes Beispiel dafür, wie sich das kirchliche Engagement finanziell zu Gunsten des Staates auswirkt und dabei zugleich zu einem vielfältigen Bildungsangebot in der Region beiträgt.
Als sich der Orden der Maristenbrüder Anfang des Jahres 2006 aus der Organisation des Schulbetriebs zurückzog und auch die Überführung der Schule in eine staatliche Trägerschaft nicht möglich war, konnte mit der Schulstiftung der Diözese Regensburg ein neuer Träger gefunden werden. So wurden nicht nur eine Schulschließung und damit der Wegfall eines bedeutenden Bildungsangebots in unserer Region verhindert, sondern auch der Landkreis unmittelbar finanziell entlastet, da ansonsten eine Überführung der Schule in kommunale Trägerschaft im Raum gestanden wäre. Seither hat sich zwischen der Schulstiftung der Diözese Regensburg, dem Landkreis Landshut und dem Maristen-Gymnasium in Furth eine gedeihliche Partnerschaft entwickelt. Die Schule wurde mit einem Kostenaufwand von 12, 7 Millionen Euro erweitert und modernisiert. Der Landkreis Landshut beteiligt sich mit rund 8,4 Millionen Euro an dieser Investition. Zugleich ist das Lehrerpersonal bei der Schulstiftung der Diözese Regensburg beschäftigt.
Dieses Beispiel verdeutlicht, wie segensreich das Wirken unserer Kirche in vielen unterschiedlichen Bereichen ist und welche finanziellen Vorteile eine gute und sinnvolle Zusammenarbeit zwischen Kirche, Staat und Kommunen bringen kann. Ich danke der Diözese Regensburg daher für ihr vielschichtiges Engagement und freue mich auch weiterhin auf eine gute Zusammenarbeit."
Peter Dreier
Landrat des Landkreises Landshut
Franz Löffler
Landrat, Landkreis Cham
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"Kirchliche Erziehungs- und Bildungseinrichtungen haben im Landkreis Cham eine lange Tradition. Das gilt vor allem auch für die ehemals von Ordensgemeinschaften geführten Realschulen in Cham, die eine herausragende Stellung in der Bildungslandschaft des Landkreises Cham einnehmen. Denn sie haben einen außergewöhnlichen Auftrag, der den Bildungsbegriff jeder Epoche überdauert: Eine am christlichen Menschenbild orientierte Vermittlung von Werten. Die Menschen im Landkreis Cham wissen das zu schätzen. Seit Jahrzehnten vertrauen sie ihre Kinder diesen Schulen an.
Für den Landkreis Cham war es deshalb keine Frage, die bereits mit den Ordensgemeinschaften bestehende gute Zusammenarbeit nach dem Übergang der Trägerschaft auch mit der Schulstiftung fortzusetzen. Mit kompetenten Ansprechpartnern und auf der Basis gemeinsamer Zielvorstellungen konnten schnell die Leitlinien für eine erfolgreiche Zusammenarbeit entwickelt werden. Seit jetzt schon zehn Jahren arbeitet der Landkreis Cham partnerschaftlich und vertrauensvoll mit der Schulstiftung der Diözese Regensburg zusammen. Die Verwaltung des Bistums agiert stets professionell und zielorientiert. Ich begrüße es deshalb sehr, dass sich die Schulstiftung entschlossen hat, die beiden Schulen in einem Neubau auf dem Chamer "Schulberg" zusammenzuführen. Damit zeigt das Bistum Regensburg nicht nur, dass es gewillt ist, auch größere Investitionen zu stemmen. Damit kommt auch zum Ausdruck, dass hier Verantwortungsbewusstsein für die Bildung unserer Jugend und wirtschaftliches Handeln auf besondere Weise verbunden sind.
Dafür danke ich dem Bistum Regensburg von ganzem Herzen!"
Franz Löffler
Landrat und Bezirkstagspräsident
Prof. Dr. Karl-Joseph Hummel
Direktor a.D., Forschungsstelle
Der Kommission für Zeitgeschichte Bonn
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Staatsleistungen und Kirche: Rückblicke und Ausblicke - Ein historisch-staatsrechtlicher Überblick
Inhalt:
- Wovon sprechen wir, wenn von der Säkularisation 1803 die Rede ist?
- Was sind Staatsleistungen? Warum können sie nach 200 Jahren nicht einfach eingestellt werden?
- Einmal „Opfer“ – immer „Opfer“? Haben die Erben der „Opfer“ auch nach über 200 Jahren noch Anspruch auf Entschädigung?
- Unter dem Strich? Die Farben der Geschichte sind nicht Schwarz und Weiß, sondern überwiegend Grautöne.
- Die Weimarer Reichsverfassung von 1919 bestimmte in Art.138 die Ablösung der Staatsleistungen durch Ländergesetzgebung. Mit welchem Nachdruck muss dieser Auftrag nach bald 100 Jahren erfüllt werden, wenn dadurch für alle Beteiligten Verschlechterungen einträten?
1. Wovon sprechen wir, wenn von der Säkularisation 1803 die Rede ist?
Am Anfang dieser Säkularisation war Napoleon, das Ende ihrer Wirkungsgeschichte ist noch nicht in Sicht.
Die Französische Revolution beschränkte sich nicht auf das Königreich Frankreich.
Die revolutionären Truppen exportierten Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit – oder was sie dafür hielten – nach fast ganz Europa.
Allgemein gilt: Der militärische Sieger bestimmt die Spielregeln des Friedensvertrages. So auch in Luneville 1801, als Frankreich und Russland ihre Vorstellungen von einer Neuregelung der staatlichen Verhältnisse in der Mitte Europas durchsetzten.
Das Heilige Römische Reich musste sich friedensvertraglich verpflichten, linksrheinische Gebiete an Frankreich abzutreten und die dadurch geschädigten Fürsten rechtsrheinisch mit Gebieten zu entschädigen, die bis dahin geistlichen Fürsten oder zu Reichsstädten gehört hatten.
Herrschaftliche Säkularisation und Säkularisation des Kirchengutes
Herrschaftliche Säkularisation bezeichnet in diesem Zusammenhang die Aufhebung der landesherrlichen Gewalt eines geistlichen Reichsfürsten und die Eingliederung seines Gebietes in ein weltliches Reichsfürstentum.
Unter Säkularisation des Kirchengutes wird die Wegnahme des kirchlichen Eigentums verstanden und zwar des reichsunmittelbaren wie des landesunmittelbaren.
Ein Ausschuss des in Regensburg tagenden Immerwährenden Reichstags wurde beauftragt, sich einen vorliegenden französisch-russischen Entschädigungsplan zu eigen zu machen und diesen entscheidungsreif auszuarbeiten. Um das strategische Ziel zu erreichen, die innere Struktur des Reiches durch die Bildung souveräner Teilstaaten zu schwächen, und Österreich durch die Stärkung dieser Mittelstaaten zurückzudrängen, schloss Frankreich Vorverträge z.B. mit Bayern, Württemberg und Preußen ab, in denen die Entschädigung dieser Länder bereits vorab großzügig geregelt wurde. Ihre Zugänglichkeit machten die französischen Diplomaten dabei nicht selten von der Zahlung erheblicher Bestechungsgelder abhängig.
Reichsdeputationshauptschluss (RDH)
Die von der Reichsdeputation schließlich verabschiedete Vorlage des Reichstags wurde von Kaiser Franz II. am 27. April 1803 ratifiziert und erhielt dadurch Gesetzeskraft. Der Entschädigungs- und Neugliederungsplan, der sog. Reichsdeputationshauptschluss (RDH), war das letzte Grundgesetz des Heiligen Römischen Reiches. Damit traten gravierende territoriale, staatsrechtliche und kirchenrechtliche Veränderungen in Kraft, die nach E. R. Huber staatliche Unrechtsmaßnahmen in eine „legale Revolution“ überführten, deren Nachwirkungen bis zum heutigen Tag zu spüren sind.
112 der rechtsrheinischen Reichsstände, darunter drei Kurfürstentümer, 19 Reichsbistümer, 44 Reichsabteien, 41 Reichsstädte und alle Reichsdörfer verloren ihre reichsunmittelbare Stellung und wurden der weltlichen Herrschaft eingeordnet, mit drei Ausnahmen verloren sämtliche geistlichen Fürsten ihre staatliche Hoheit, das Kirchengut wurde auf den Staat übertragen.
Die Sonderregelungen betrafen die beiden Ritterorden, die unter österreichischer bzw. russischer Protektion standen: die Deutschherren und die Malteser, sowie den Erzbischof von Mainz – und damit indirekt Regensburg: „Der Stuhl zu Mainz wird auf die Domkirche zu Regensburg übertragen. Die Würden eines Kurfürsten, Reichs-Erzkanzlers, Metropolitan - Erzbischofs und Primas von Deutschland bleiben auf ewige Zeiten damit vereinigt.“ Das Fürstentum Regensburg, der letzte geistliche Staat in Deutschland, existierte dann aber nur bis zum 29. Februar 1810 und wurde im Pariser Vertrag von Napoleon Bayern zugesprochen.
Was veränderte sich?
Insgesamt vergrößerten ca. 100.000 Quadratkilometer geistlichen Staatsgebietes die weltlichen Territorialstaaten. 3.161.776 Menschen wechselten ihre Staatsangehörigkeit. Die meisten Staaten erhielten bei dieser Entschädigung durch Selbstbedienung mehr als sie an Frankreich abgetreten hatten, Preußen entschädigte sich für 48 Quadratmeilen mit über 235 Quadratmeilen, Bayern bekam für 255 Quadratmeilen 290 Quadratmeilen neues Staatsgebiet. Für Württemberg betrug die Entschädigung das Vierfache, für Baden sogar das Siebenfache der abgetretenen Fläche. Hannover und Oldenburg wurden mit Rücksicht auf die verwandtschaftlichen Beziehungen nach England und Russland - mit dem Bistum Osnabrück bzw. dem Stift Lübeck - entschädigt, ohne dass sie irgendeinen Verlust anzumelden gehabt hatten.
Bevölkerungsmäßig bedeutete die Säkularisation für Preußen einen Zuwachs von 431.000 Menschen, für Bayern ein Plus von 51.000. Die Staatseinnahmen stiegen dadurch in Preußen um 171,4 % auf 3,8 Millionen Gulden, in Bayern um 32,1% auf 6,6 Millionen Gulden.
Der nachhaltigste materielle Gewinn bestand für Bayern in der Übernahme von 1.167.000 Tagewerk Wald , davon allein 554.440 aus Klosterwaldungen. Bis zum heutigen Tag stammt etwa ein Drittel der bayerischen Forsten aus dieser Übernahme.
Weitere Folgen
Die Säkularisation der Klöster hatte aber noch verschiedene andere, im positiven wie im negativen vermögenswirksame Aspekte. Die Klöster hatten als Eigentümer bedeutender Ländereien Anspruch auf vielfältige Abgaben. Wertvollste Bibliotheken und Archive waren in klösterlichem Besitz. In vielen Klöstern wurden einmalige Kunstsammlungen gepflegt. In Bayern bestanden rund 300 einträgliche Klosterbrauereien, allein in Altbayern wurden 44 Klosterapotheken unterhalten.
Schließlich galt der staatliche Zugriff den Immobilien selbst, die beschlagnahmt und dann versteigert, verkauft oder neuen Zwecken gewidmet wurden. Manche Klosterkirche wurde zu einer Pfarrkirche, viele alten Pfarrkirchen wurden abgerissen; andere Klöster wurden zu Krankenhäusern, Kasernen oder zum Sitz von Fabrikunternehmungen wie im Fall von Koenig & Bauer in Oberzell. Das ehemalige Dominikanerkloster in Landshut, zunächst Teil der erst seit 1800 aus Ingolstadt transferierten Universität, wurde später von der Regierung von Niederbayern beansprucht. Im ehemaligen Theatiner – Kloster in München zog ebenfalls die bayerische Staatsverwaltung selbst ein.
Spätaufklärerische, religionskritische Überheblichkeitsattitüden haben in Einzelfällen zum Abriss einiger auch bedeutender Klosteranlagen geführt; wertvolle Bibliotheksbestände sind in der Euphorie des Überangebots nicht richtig eingeschätzt und deshalb vernichtet worden, manche klösterlichen Wertgegenstände sind nicht in die Hände gelangt, für die sie bestimmt waren. Insgesamt haben die Behörden aber - in Bayern z.B. die Bibliotheks-Kommission unter Leitung des Hofbibliothekars Johann Christoph von Aretin oder die Kunst-Kommission - zuverlässig protokolliert und sachverständig inventarisiert und so eine verlässliche Basis für die weitere Bestandserhaltung gelegt.
2.Was sind Staatsleistungen? Warum können sie nach 200 Jahren nicht einfach eingestellt werden?
Staatsleistungen entstehen als Ausgleich für Säkularisationen. Diesen Zusammenhang gab es bereits bei vergleichbaren Vorgängen vor 1803 - z.B. in der Reformationszeit, bei dem Vertragswerk des Westfälischen Friedens von 1648 oder bei den Reformen des religionskritischen Kaisers Joseph II. in Österreich.
1803 wurde ein säkularisierender Staat also nicht zum ersten Mal grundsätzlich verpflichtet, für enteignetes kirchliches Eigentum finanzielle Entschädigungszahlungen zu leisten. Die Kirchen leiteten nämlich aus den Enteignungen eine Rechtspflicht des Staates zur Entschädigung ab, während die staatliche Verwaltung - und spätere Kritiker der Staatsleistungen - lieber von einer „freiwilligen Leistung“ sprachen.
Rechtmäßig und rechtswirksam
Besaß der RDH von 1803, müssen wir uns fragen, aufgrund seiner Entstehungsgeschichte aber überhaupt die Rechtsqualität, die bei einer so weitreichenden Entscheidung verlangt wird? Der Verfassungsjurist E. R. Huber argumentiert so: Die Säkularisation von 1803 war zwar „ein illegaler Staatsakt, genauer gesagt: eine in die Form der Legalität gehüllte revolutionäre Gewaltmaßnahme“, aber: Die Rechtmäßigkeit einer Maßnahme ist nicht unbedingt eine Voraussetzung ihrer Rechtswirksamkeit. Man kann die Meinung vertreten, die Aufhebung der geistlichen Fürstentümer habe den Staat zu einer grundlegenden Neuordnung der Eigentumsordnung gezwungen, außerdem hätten die existenzbedrohenden Belastungen durch die enormen Kriegskosten den Zugriff auf die den kirchlichen Eigenbedarf weit übersteigenden Vermögenswerte der Kirche gerechtfertigt. „Überragende Forderungen des Gemeinwohls rechtfertigten den gesetzgeberischen Eingriff in die bestehenden Rechtspositionen; sie statteten die Säkularisation, auch wenn man die Rechtmäßigkeit in Zweifel zieht, doch mit Rechtswirksamkeit aus.“ (E.R.Huber)
Vermögenswerte und ihre Lasten
Säkularisation bedeutete aber nicht nur den vorteilhaften Zugriff auf kirchliche Vermögenswerte. Mit dem kirchlichen Besitz mussten auch alle auf ihm lastenden Verpflichtungen übernommen werden: die Leistungen für den persönlichen und sachlichen Aufwand der allgemeinen kirchlichen Verwaltung, Leistungen für Ausbildung, Besoldung und Versorgung der Geistlichen, Aufwendungen für Baumaßnahmen, sowie die Bereitstellung staatlicher Räume und die Baulast für bestehende kirchliche Gebäude.
Die Verpflichtung zu Kompensationen ergab sich aus drei Rechtsgründen:
Erstens: Der Staat hat - im Sinn einer Universalsukzession - als Erwerber tatsächlich auch alle Lasten zu tragen, die mit dem Kirchenbesitz verbunden sind.
Zweitens: Die Säkularisation wurde nur unter der Bedingung einer auch in Zukunft weiter angemessenen Ausstattung der Bischofskirchen gestattet. Im § 35 RDH heißt es an entscheidender Stelle:
"Alle Güter der fundierten Stifter, Abteyen und Klöster ... werden der freien und vollen Disposition der respektiven Landesherrn, sowohl zum Behuf des Aufwandes für Gottesdienst, Unterrichts- und andere gemeinnützige Anstalten, als zur Erleichterung ihrer Finanzen überlassen, unter dem bestimmten Vorbehalt der festen und bleibenden Ausstattung der Domkirchen, welche werden beibehalten werden, und der Pensionen für die aufgehobene Geistlichkeit."
Dabei war zunächst an die Übereignung von Grund und Boden mit ausreichendem Ertragswert gedacht, die Kirche gab sich dann aber damit zufrieden, dass an die Stelle einer einmaligen Ausstattung wiederkehrende Geldleistungen traten.
Drittens bestimmte der § 35 RDH auch, dass der Ertrag aus dem säkularisierten Vermögen nicht allein für allgemeine staatliche Zwecke verwendet werden darf, sondern zu einem gewissen, aber nicht genau bestimmten Anteil für Angelegenheiten von Unterricht und Kultus eingesetzt werden muss.
Die Konkordate
Es war zu erwarten, dass in diesen Fragen bald auch Meinungsverschiedenheiten auftreten. würden. Bayern und der Vatikan waren deshalb gut beraten, in den lange Jahre verhandelten Konkordaten vom 4. Juli 1817 und 29. März 1924 bestimmte Einzelpunkte wie die Umschreibung der Diözesangrenzen, den Personalumfang der Domkapitel und die Einkünfte der Bischöfe und Kanoniker präzise zu beschreiben. Die Aufstellung in Art IV des Konkordats von 1817 schließt mit dem Satz: „All diese Einkünfte sollen in ihrem Betrage stets vollständig und ungeschmälert erhalten werden.“
Der Bischof von Regensburg steht 1817 – wie die beiden Bischöfe von Augsburg und Würzburg – mit einem Gehalt von 10.000 Gulden zu Buche, für 14 weitere Personen ( Probst, Dechant, vier ältere und vier jüngere Canoniker, drei ältere und drei jüngere Vicare) waren in Regensburg weitere 22.200 Gulden angesetzt.
Josef Görres sah sich 1838 veranlasst, in der Bestseller-Streitschrift Athanasius, die 1838 bei Manz in Regensburg erschienen ist, daran zu erinnern, Staatsleistungen seien kein Akt der Wohltätigkeit; die Kirche fordere ohnehin nur den kleinsten Teil dessen, was man ihr genommen und wiederzugeben versprochen hat. „Man sollte denken“, so der Publizist, „dass der, welcher in den Genuss dieser Erträglichkeiten eingetreten, auch zu den darauf haftenden Leistungen einfachhin verpflichtet ist. Wenigstens würde die alte Eigentümerin kein Bedenken tragen, auf diese Bedingung hin wieder in den alten Besitzstand einzutreten.“
Länderhoheit
Die Durchführung der Ablösung oblag und obliegt den einzelnen Ländern. Dies erlaubt es z.B. gegenwärtig Hamburg und Bremen, generell keine Staatsleistungen zu erbringen, und führt in der Praxis zu gewissen Abweichungen, aber nur in zwei Fällen wurden staatliche Leistungen bisher ganz eingestellt, während der Kulturkampfauseinandersetzungen in Preußen und im Dritten Reich in Bayern.
Der preußische Kultusminister behielt 1872 in der sog. Temporaliensperre die dem Bischof von Ermland zustehende Staatsleistung von jährlich 35000 Gulden ein. Das am 22. April 1875 in Kraft getretene Gesetz „betreffend die Einstellung der Leistungen aus Staatsmitteln für die römisch-katholischen Bistümer und Geistlichen“ galt dann sämtlichen Bistümern, Instituten und Geistlichen im preußischen Staatsgebiet. Die Wiederaufnahme der Zahlungen wurde zunächst davon abhängig gemacht, dass die Empfänger schriftlich ihre Unterwerfung unter die Staatsgesetze erklärten, was aber nur 24 von 4000 katholischen Geistlichen taten. Als Kaiser Wilhelm nach über 16 Jahren 1891 die Gelder wieder freigab, hatten sich 16.009.333 Mark 02 Pfennig auf dem Sperrkonto „aufgesammelt“.
Als das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus am 31. März 1939 mitteilte, die „freiwilligen Leistungen“ des Staates an die Katholische Kirche würden zum 1. April 1939 eingestellt, argumentierte der Münchener Kardinal Faulhaber in seinem Protestschreiben an Gauleiter Wagner wie Josef Görres 100 Jahre zuvor und reklamierte ebenfalls einen Rechtsanspruch, der sich aus § 35 des RDH ergebe.
Überraschenderweise bezahlte selbst der kirchenfeindliche, kommunistische Weltanschauungsstaat DDR bis zu seinem Ende 1990 Staatszuschüsse an die Kirchen. Von den durchschnittlich 15,4 Millionen DM (Ost) jährlich erhielten die protestantischen Kirchen 93%. Zwischen den neuen Bundesländern und dem Vatikan wurden nach 1990 jeweils eigene Vereinbarungen getroffen.
Zusammenfassend
Zusammenfassend kann man bereits diesem kurzen Rückblick auf die Entschädigungsgeschichte der Säkularisation von 1803 entnehmen, dass die Betroffenen - beide Seiten - die rechtliche Qualität und die historische Begründung der Staat-Kirche-Beziehungen in Bezug auf die Staatsleistungen auch dann respektierten, wenn sie in der Sache selbst unterschiedlicher Ansicht waren. Auf die kühne Behauptung von Carsten Frerk, des Chefredakteurs des Humanistischen Pressedienstes: „Die historischen Begründungen sind allesamt Makulatur“ sollte man sich jedenfalls nur dann verlassen, wenn man über überhaupt keine historische Sensibilität verfügt. Allein schon die unübliche Anmahnung einer verfassungskonformen Regelung der Entschädigungsproblematik in der Weimarer Verfassung und später im Grundgesetz zeigt das Gewicht an, das man dieser Frage in der Vergangenheit zusprach.
Das Problem Staatsleistungen bündelt jedenfalls so viele Aspekte mit historischer Dimension, dass sich „Lösungen“ verbieten, die mit der Erwartung spielen, das schlechte Image der Kirchen im Umgang mit Finanzen garantiere dem Kritiker in diesem Punkt unabhängig von seiner Überzeugungskraft populäre Zustimmung. Ohne historische Dimension gibt es tatsächlich keinen vernünftigen Grund, warum der Staat die Baulast von Klöstern übernehmen, einen Zuschuss für die Gehälter von Bischöfen geben und katholische Bildungseinrichtungen unterstützen soll. Ohne Begründung durch die Entstehungsgeschichte lassen sich die dynamisierten und in der Summe beeindruckend hohen staatlichen Zahlungen nicht plausibel erklären. Hier verstärken sich in der Wahrnehmung des durchschnittlich informierten Zeitgenossen zwei Kurven zu Lasten der Kirche. Für die Erlebnisgeneration von 1803 war die Dimension der Enteignungen beeindruckender als sie in unserer Gegenwart erscheint, der lange Rückblick hat auf die Zeitgenossen von heute eine versöhnliche Wirkung. Mit wachsender Distanz und abnehmender Kenntnis schwindet in den Augen der Nachgeborenen die Dimension des Problems, während die vereinbarte Ablöse immer höhere Zahlungen verlangt. Die von Carsten Frerk wiederholt vorgeschlagene schnelle „Lösung“: „ bringt uns aber keinen noch so kleinen Schritt näher zu einer Lösung. Ironischerweise taugt dieser gegenwartsegoistische Vorschlag nur für eine forsche Fußnote in der Entschädigungsgeschichte.
3. Einmal "Opfer" – immer "Opfer"? Haben die Erben der "Opfer" auch nach über 200 Jahren noch Anspruch auf Entschädigung?
Die Säkularisation von 1803 ist ein komplexes historisches Ereignis, das seinen Platz in der Geschichte noch nicht endgültig gefunden hat. Für eine abschließende Würdigung benötigen wir z.B. eine Gesamtbilanz der Gewinne und Verluste und eine zuverlässige Aufstellung sämtlicher bisher geleisteter Staatsleistungen. Der Zwang zu einem noch vorläufigen Urteil ist aber nicht nur negativ einzuordnen, er bietet auch Chancen und eröffnet die Möglichkeit, die bisherigen Vor-Urteile noch einmal in Frage zu stellen.
Der Gewinner und die Verliererin in den umstürzenden Konflikten zwischen Staat und Kirche am Beginn des 19. Jahrhunderts scheinen festzustehen. Zur Vergewisserung stellen wir trotzdem noch einmal zwei Kontrollfragen: Kann es sein, dass der bayerische Staat gleichzeitig ein großer Gewinner und großer Verlierer ist? Kann es sein, dass die Katholische Kirche nicht nur eine Opferrolle spielte, sondern von der Säkularisation vielleicht sogar am meisten profitiert hat? Die Antwort auf beide Fragen wird Ja und Nein sein müssen.
Staatsperspektive
Beginnen wir mit der staatlichen Perspektive: Das Ende der geistlichen Fürstentümer war auch das Ende der konfessionell einheitlichen Staaten in Deutschland. Die Säkularisation führte strukturell dazu, dass sich die Katholiken in den meisten deutschen Staaten als konfessionelle Minderheit wiederfanden. Diese Ausgangssituation motivierte die Katholiken zu ihrem erfolgreichen Kampf um die Freiheit der Kirche vom Staat.
Mit dem Reichsdeputationshauptschluss beginnt der moderne säkulare Staat, der nicht mehr das Heil für seine Bürger sucht, sondern nur noch deren Wohl. (Hans Maier) Ohne die Säkularisation hätte Maximilian Joseph Graf von Montgelas bei der Durchsetzung seiner Reformen sicher mit erheblichem Widerstand der geistlichen Zwischengewalten rechnen müssen. So aber hat die Flurbereinigung der Säkularisation Bayern auf dem Weg zur konstitutionellen Monarchie einen deutlichen zeitlichen Vorsprung ermöglicht.
Neben den staatspolitischen Vorteilen übernahm Bayern damals aber auch eine Schuldenlast von 56 Millionen und die Verpflichtung zu jährlich 4 Millionen Pensions- und 4 Millionen Zinszahlungen. Zur Einordnung: Diese 64 Millionen waren über 25% der jährlichen Steuereinnahmen.
Gehälter und Pensionen
Nach dem Wegfall der klösterlichen Sorgemöglichkeit – allein in Bayern für 3.312 Mönche und 1.169 Klosterfrauen, für das ehemalige Kloster-Personal, Alte und Kranke – übernahm der Staat die Verpflichtung zur Zahlung von Gehältern und Pensionen. Der Anteil des Staates am Bruttosozialprodukt ist dadurch erheblich gestiegen. Die bayerische Staatsverschuldung erreichte 23.7 Millionen. Besonders zuvorkommend behandelte Bayern die aus aufgehobenen Frauenklöstern vertriebenen Nonnen. Der Staat setzte für sie als provisorische Pensionen 3 Gulden monatlich für Äbtissinnen, 1 Gulden für Chorfrauen und 45 Kreuzer für Laienschwestern aus.
Diesen sozialstaatlichen Kraftakt konnte sich das permanent vom Staatsbankrott bedrohte Kurfürstentum nur leisten, weil es im europäischen Machtkalkül eine vor allem von Frankreich gestützte systemnotwendige Rolle spielte und weil es innenpolitisch keine Alternative gab. Die Erwartung, langfristig werde sich so reicher politischer Ertrag einstellen, wog stärker als die Befürchtung, mit den hohen Summen überfordert zu sein, die zumindest in den Anfangsjahren für die „feindlichen Übernahmen“ aufzuwenden sein würden.. Dabei spielte unausgesprochen auch die Hoffnung mit, die Kurve der übernommenen Pensionszahlungen würde vielleicht schnell nach unten zeigen.
Auch der zweite Blick auf das Personal der enteigneten Klöster findet diese zunächst auf der Verliererseite. Ihr geistliches Personal wurde zwar im allgemeinen gut abgefedert. Dagegen sind die meisten der in den Klöstern beschäftigten Angestellten, Handwerker und Künstler durch die Säkularisation arbeitslos geworden. Das Kloster Benediktbeuern beschäftigte damals z. B. 170 Angestellte, das Kloster Andechs 72.
Soziale Einrichtungen fielen aus
Verschiedene soziale Einrichtungen, die die Klöster übernommen hatten, waren nach der Säkularisation vakant; der Staat konnte nicht in jedem Fall für raschen Ersatz sorgen.
Wenig beachtet, aber effektiv hatten die Klöster z.B. eine Rolle im Sparkassen- und Versicherungsgeschäft gespielt. Das Kloster Polling hatte an 300 Personen 78.000 Gulden ausgeliehen, ähnlich Benediktbeuern und Andechs je 43.000 Gulden.
Die Säkularisation führte verschiedentlich auch zu einem Verlust an künstlerischen Fähigkeiten bei Fachkräften wie beispielsweise den Stuckateuren. Der Wegfall ihrer klösterlichen Auftraggeber beschleunigte in manchen Gegenden den nicht gewünschten Trend, dass diese ehemaligen Fach-Handwerker den Weg zurück in eine landwirtschaftliche Beschäftigung suchten.
Trifft das eindeutige Urteil des Regensburger Domvikars Alfons Maria Scheglmann (1858 – 1937) zu, der sich vor über 100 Jahren intensiv mit der Erforschung der Säkularisation befasst hat: Ist sie „ein ungeheuerliches Dokument, dessen Festsetzungen moralisch ein Gottesraub, juridisch eine illegitime Anmaßung, politisch ein Hochverrat sind, vor dem Richterstuhl der Vernunft aber Unsinn und Torheit?“ (Scheglmann)
4. Unter dem Strich: Die Farben der Geschichte sind nicht Schwarz und Weiß, sondern überwiegend Grautöne.
Der protestantische Historiker Georg Gottfried Gervinus (1805 – 1871) zählt in diesem Sinn die Säkularisation zu den „wohlthätigen Gewaltsamkeiten.“ Moderne Forscher sehen auf lange Sicht eine durch die Säkularisation ausgelöste Entwicklung, in deren Verlauf es fast nur noch Gewinner gibt. Werner K. Blessing kommt zu dem Schluss: „Wenn die feudale Herrschaft durch den modernen Staat, die Konfessions- und Ständegesellschaft durch die bürgerliche Nation, korporative Bindungen durch individuelle Freiheit, eine patrimoniale Ökonomie durch kapitalistische Marktwirtschaft, traditionelle Autoritäten durch den Anspruch auf Selbstbestimmung abgelöst wurden, war das ohne die Säkularisation, diesen dramatischen Schub in der neuzeitlichen Säkularisierung, nicht möglich.“ Hans Maier resümierte in einem Rückblick auf 200 Jahre Säkularisation: „Am positivsten waren - auf lange Sicht gesehen – die Folgen für die Kirche.“ „Die Kirche hat in der Säkularisation viel verloren, was sie nicht verloren hat, ist die Kraft zur Erneuerung.“ (Hans Maier)
Welche Begründung gibt es bei diesem Befund noch für die Forderung, der Staat müsse auch und in Zukunft weiter Ablöse bezahlen? Zunächst gilt: Der Anspruch auf die im Reichsdeputationshauptschluss vereinbarten Staatsleistungen wird als Rechtstitel durch die zunehmende zeitliche Distanz zu 1803 nicht gefährdet. Die Einsicht in die andauernde Angemessenheit der Ablösezahlungen wird erleichtert durch die saubere gedankliche Trennung zwischen der Entstehungsgeschichte und der Wirkungsgeschichte der Säkularisation. Beide können nicht gegeneinander aufgerechnet werden. Insofern haben die staatlichen Unrechtsmaßnahmen am Anfang des 19. Jahrhunderts nichts zu tun mit der späteren Entwicklung des Staat-Kirche-Verhältnisses, können dadurch jedenfalls nicht geheilt werden. Bei aller Zustimmung zu der positiven Wirkungsgeschichte in den seitdem vergangenen zwei Jahrhunderten, der Anfang war nicht rechtmäßig, auch wenn er Rechtswirksamkeit erlangte (E.R. Huber). Eine einseitige Einstellung der Staatsleistungen wäre eine späte Fortsetzung der illegalen Machtpolitik im napoleonischen Zeitalter. Eine einvernehmliche Lösung käme dagegen im heutigen Wissen um die segensreiche Wirkungsgeschichte sicher zu Lösungen, die mit unserem Rechtsverständnis besser zu vereinbaren sind.
5. Die Weimarer Reichsverfassung von 1919 bestimmte in Art.138 die Ablösung der Staatsleistungen durch Ländergesetzgebung. Mit welchem Nachdruck muss dieser Auftrag nach bald 100 Jahren erfüllt werden, wenn dadurch für alle Beteiligten Verschlechterungen einträten?
Verfassungsrechtlich ist die Finanzierung der beiden Großkirchen durch historisch begründete Staatsleistungen durch Art. 140 GG i.V.m. Art. 138 Abs.1 Weimarer Reichsverfassung geregelt und abgesichert.
Art. 138 Abs.1Weimarer Reichsverfassung bestimmt: „ Die auf Gesetz, Vertrag oder besonderen Rechtstiteln beruhenden Staatsleistungen an die Religionsgesellschaften werden durch die Landesgesetzgebung abgelöst. Die Grundsätze hierfür stellt das Reich auf.“
In Art. 140 GG ist festgelegt: „Die Bestimmungen der Artikel 136,137,138,139 und 141 der deutschen Verfassung vom 11. August 1919 sind Bestandteile dieses Grundgesetzes.“
Ablösungsauftrag vorgegeben
Durch diesen Verfassungsartikel ist ein Ablösungsauftrag in Gesetzesform vorgegeben. Der von einzelnen Kritikern geforderte ersatzlose Wegfall der Staatsleistungen („Jetzt reichts!“) ist von der Verfassung ausgeschlossen. Der Verfassungsauftrag zu einem Ablösegesetz – von seinen Anhängern auch „Ablösebefehl“ genannt - ist bis heute aber nicht erfüllt. Zwar wurde noch in der Weimarer Republik ein erster Anlauf zu einem Ablösungsgrundsätzegesetz unternommen, die Initiative kam aber nicht über einen Referentenentwurf hinaus.
Kritiker wie Carsten Frerk, die eine Trennung von Staat und Kirche nach französischem Vorbild favorisieren und die gegenwärtig gezahlten Staatsleistungen möglichst rasch einfach eingestellt sehen wollen, würden die Geschichte am liebsten erst mit dem Ablöseauftrag von 1919 beginnen lassen. Präzise frühere Festlegungen wie z.B. § 35a Reichsdeputationshauptschluss 1803 oder die Beschreibung der Diözesangrenzen, des Personalumfangs der Domkapitel und der Einkünfte der Bischöfe und Kanoniker im Bayern – Konkordat vom 4. Juli 1817 oder Sätze wie : "All diese Einkünfte sollen in ihrem Betrage stets vollständig und ungeschmälert erhalten werden." (Bayern-Konkordat 1817) provozieren Frerk dazu "von der Legendenbildung um historische Verpflichtungen und Bezüge" zu sprechen oder das Fazit zu ziehen: "Was einem König nützt, braucht einen Demokraten nicht zu interessieren."
Der Art 18 des Reichskonkordats von 1933 hat der sofortigen Einstellung der Staatsleistungen auch nicht die Türen geöffnet. Dort wurde vereinbart: "Falls die auf Gesetz, Vertrag oder besonderen Rechtstiteln beruhenden Staatsleistungen an die katholische Kirche abgelöst werden sollten, wird vor der Ausarbeitung der für die Ablösung aufzustellenden Grundsätze rechtzeitig zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Reich ein freundschaftliches Einvernehmen herbeigeführt werden. Zu den besonderen Rechtstiteln zählt auch das rechtsbegründete Herkommen. Die Ablösung muß den Ablösungsberechtigten einen angemessenen Ausgleich für den Wegfall der bisherigen staatlichen Leistungen gewähren."
Dagegen enthält die Antwort der Bundesregierung auf eine parlamentarische Anfrage 2009 einen wichtigen Hinweis darauf, dass Staat und Kirche nicht 1803, 1919 oder nach 1933, sondern in den Jahren nach Wiederherstellung der deutschen Einheit einvernehmliche Lösungen gefunden haben, die es ermöglichen könnten, auf den vorgeschlagenen Weg von 1919 vielleicht ganz zu verzichten: "Der Bund hat bisher Grundsätze nicht erlassen. Dabei waren vor allem folgende Überlegungen maßgebend. In den neueren Kirchenverträgen der Länder sind die Staatsleistungen einvernehmlich neu und in vereinfachter Form geregelt. Insoweit wird für den Bundesgesetzgeber kein Handlungsbedarf gesehen. Die finanziellen und volkswirtschaftlichen Schwierigkeiten einer Ablösung sind nicht zu unterschätzen."
Die Aussichten, dass der Deutsche Bundestag ein Ablösungsgrundsätzegesetz beschließt und die einzelnen Bundesländer dann ihre Länderkonkordate entsprechend verändern, sind gegenwärtig und wohl auch in naher Zukunft nicht sehr groß. Ganz abgesehen davon, dass eine Initiative in diese Richtung mit Aussicht auf Erfolg nur mit Einvernehmen der Partner Staat und Kirche vorstellbar ist und nicht strittig, ist es reizvoll, an dieser Stelle noch einmal über Alternativen nachzudenken.
Die Alternativen
Erstens: Theoretisch könnte der Freistaat Bayern alle Probleme der Vergangenheit "heilen", indem er die enteigneten Klöster zurückgibt, die großen kirchlichen Anteile an den Staatsforsten zurückübereignet, die Bayerische Staatsbibliothek und das Bayerische Hauptstaatsarchiv veranlasst, 500.000 Bände aus Klosterbibliotheken, zahlreiche Handschriften und über 220.000 Urkunden aus kirchlichem Besitz zurückzugeben usw. Wir müssen diesen absurden Vorschlag nicht weiter verfolgen. In diesem Fall wären jedenfalls alle Beteiligten endgültig Verlierer und zwar nur Verlierer.
Zweitens: Die öffentliche Kritik an der historischen Herleitung der Staatsleistungen mit 200 Jahre alten Rechtstiteln wird in den nächsten Jahren erwartungsgemäß zunehmen. Dieser öffentliche Druck – und die organisierte Empörung z.B. der Humanistischen Union oder der Giordano Bruno – Stiftung - werden es aber nicht erreichen können, im Deutschen Bundestag eine Mehrheit für das verfassungsmäßig vorgeschriebene Orientierungsgesetz zu finden.
Drittens: Unterhalb dieser Schwelle ist es durchaus vorstellbar, dass Staat und Kirche sich z.B. auf eine einmalige Schlusszahlung verständigen könnten, die sich an dem zigfachen der derzeitigen Jahressumme von über 500 Milllionen Euro orientieren müsste. Gegebenenfalls ist auch eine Stiftungs-Lösung eine Option, wie sie die Niederlande gefunden haben. Für die dann dem Armutsideal weit entrückte Kirche entstünden dadurch aber neue Probleme und der Staat müsste sich die hohe Dotation erst leisten können. Die "Jetzt reichts!" - Idee mag ja vielleicht populär sein, sie würde aber eine illegal begonnene Unternehmung mit einem illegalen Schlussakkord beenden und verdient allein aus diesem Grund keine erhöhte Aufmerksamkeit. Vielleicht gebietet die historische Klugheit, nach Abwägung sämtlicher Gesichtspunkte an der derzeitigen Praxis festzuhalten.
Der Autor:
Karl-Joseph Hummel, Jahrgang 1950, studierte nach dem Abitur in seinem Geburtsort Augsburg in München und Sussex (GB) Geschichte, Germanistik und Politische Wissenschaften. Nach beiden Staatsexamina und einem Jahr Tätigkeit als Studienrat wurde Hummel Wiss. Mitarbeiter am Lehrstuhl Prof. Dr. Thomas Nipperdey, wo er 1983 mit einer Arbeit über „München in der Revolution von 1848/49 promoviert wurde. Nach einer Tätigkeit in der Begabtenförderung war Hummel von 1993 bis zu seiner Pensionierung 2015 Direktor der Kommission für Zeitgeschichte in Bonn. Seit 2011 ist Hummel Honorarprofessor für Kirchengeschichte an der Universität Erfurt.
Hummel ist Autor zahlreicher Publikationen zur Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts, zur Papstgeschichte, zu den deutsch-polnischen Beziehungen, zu Zwangsarbeitern, zu Kath. Kirche im Dritten Reich, Kirche im Krieg u.v.m..
Seine und aktuelle Publikationen der Kommission für Zeitgeschichte finden Sie unter:
https://www.kfzg.de